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Universelle Geltung der Menschenrechte – eine Ideologie des Westens?
Angelika Nußberger hat die Theodor-Heuss-Vorlesung 2023 gehalten
Ist das Einüben von Demut ein Menschenrecht? Sehen wir im Verbot von Nachtarbeit für Frauen einen zivilisatorischen Fortschritt oder eine patriarchalische Diskriminierung? Fragen wie diese diskutierte Angelika Nussberger, Professorin an der Universität zu Köln und Direktorin der Akademie für europäischen Menschenrechtsschutz sowie frühere Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, am 13. Dezember 2023 in der Theodor-Heuss-Gedächtnis-Vorlesung an der Universität Stuttgart.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 sei zwar „universell gemeint“, würde aber viele ausschließen. Etwa muslimisch geprägte Regionen des Globalen Südens, in deren Selbstverständnis Demut eine wichtige Rolle spiele“. Oder Kulturen, die Rechte nur in enger Verbindung mit Pflichten zu definieren vermögen. Insofern spiegele, so die Professorin, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durchaus die Art und Weise ihres Zustandekommens wieder: Die Erklärung ist nämlich wesentlich geprägt von der Perspektive der Sieger des Zweiten Weltkriegs, kaum aber von Ländern wie Indien oder großen Regionen wie dem Afrika südlich der Sahara.
Was also tun? Die Antwort, die die prominente Menschenrechtsexpertin Angelika Nussberger in ihrer Vorlesung gab, war verblüffend einfach. Heute sei es das Gebot der Stunde, dass wir einander besser zuhören als im Jahr 1948: „Es braucht ein neues Nachdenken über neue universelle Normen“. Eine „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 2.0“ wäre zwar wünschenswert, aber in der gegenwärtigen politischen Weltlage schwer zu realisieren. „Wir müssen mit der Menschenrechtsdeklaration von 1948 weiter arbeiten. Warum? Weil sie im Blick auf zentrale Werte wie Freiheit und Gleichheit Orientierung bieten. Und weil wir – einstweilen – nichts Besseres haben.“